Repräsentative Studie
15.03.2024

Hass im Netz: Junge Frauen, queere und Menschen mit Migrationshintergrund besonders betroffen

Besonders für junge Frauen sind sexualisierte Übergriffe in den sozialen Netzwerken Alltag. Auch Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund und queere Menschen sind verstärkt Gewaltandrohungen und Beleidigungen ausgesetzt. Zu diesen Ergebnissen kommt die bundesweite Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“.

 

Die repräsentative Erhebung ist die umfangreichste Untersuchung zu Wahrnehmung, Betroffenheit und Folgen von Hass im Netz in Deutschland seit 2019. Sie wurde von Das NETTZ, Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, HateAid und dem Bündnismitglied Neue deutschen Medienmacher*innen als Teil des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz herausgegeben. Befragt wurden mehr als 3.000 Internetnutzer*innen in Deutschland ab 16 Jahren. Die Ergebnisse wurden im Februar 2024 veröffentlicht.

Zentrale Ergebnisse

Fast die Hälfte der Befragten (49 %) gab an, online schon einmal beleidigt worden zu sein. 25 Prozent waren schon einmal mit körperlicher, 13 Prozent mit sexualisierter Gewalt konfrontiert. Besonders betroffen von Hass im Netz sind mit einem Anteil von 36 Prozent Menschen mit bisexueller Orientierung. Junge Frauen und Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund bilden mit 30 Prozent die nächstgrößte Betroffenengruppe, gefolgt von Befragten mit homosexueller Orientierung, von denen 28 Prozent angaben, Hass im Netz erlebt zu haben.

In der Gruppe der jungen Frauen berichtete fast jede zweite (42 %), dass sie schon einmal ungefragt ein Nacktfoto zugeschickt bekommen hat. 11 Prozent der Befragten haben bereits erlebt, dass ihre privaten Nacktfotos oder Videos geteilt wurden, 9 Prozent wurde mit gefälschten intimen Fotos oder Videos, sogenannten Deepfakes, gedroht.

Folgen: Hass im Netz führt zu Rückzug aus demokratischen Diskursen

Viele Internetnutzer*innen ziehen sich aus Angst aus Online-Diskussionen zurück und vertreten ihre Meinung zu politischen Themen weniger häufig: Mehr als die Hälfte der Befragten bekennt sich aus Angst im Netz seltener zur eigenen politischen Meinung (57 %), beteiligt sich seltener an Diskussionen (55 %) und formuliert Beiträge bewusst vorsichtiger (53 %). 82 Prozent der Befragten fürchten, dass Hass im Netz die Vielfalt im Internet gefährdet. Dreiviertel der Befragten äußern die Sorge, dass durch den Hass im Netz auch die Gewalt im Alltag zunehmen könnte.

Forderungen von Befragten und Studien-Herausgeber*innen

86 Prozent der Befragten finden, dass Social-Media-Plattformen mehr Verantwortung übernehmen müssen. 79 Prozent stimmen der Aussage zu, dass diese Plattformen auch finanzielle Verantwortung für die durch Hass im Netz entstehenden gesellschaftlichen Schäden tragen sollten.

Die Herausgeber*innen der Studie fordern eine bessere Unterstützung für Betroffene. Es brauche ein bundesweites Netzwerk von spezialisierten Beratungsstellen sowie geschulte Strafverfolgungsbehörden. Notwendig sei auch die konsequente Anwendung bestehender Gesetze im Internet. Von Social-Media-Plattformen verlangen sie ein konsequentes Vorgehen gegen Hass und Verstöße gegen den Jugendmedienschutz. Für die verursachten gesellschaftlichen Schäden müssten Online-Plattformen künftig auch finanziell Verantwortung übernehmen. Außerdem fordern die Organisationen eine nationale Bildungsoffensive Medienkompetenz.

Bundesfrauenministerin Lisa Paus zu den Ergebnissen

Das Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz, dass die Studie herausgegeben hat, wird vom Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Bundesfrauenministerin Lisa Paus zur Vorstellung der Studienergebnisse:

„Ob toxische Kommentare, Drohungen, beängstigende Kampagnen: Hass im Netz ist allgegenwärtig. Viele Menschen sind davon abgestoßen oder eingeschüchtert, halten sich zurück oder schweigen. Das gibt denen Raum, die laut und aggressiv sind. Es bedroht unsere Demokratie. Wir können gemeinsam etwas dagegen unternehmen. Das Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz führt Wissen und Erfahrung zusammen: Beratungsangebote für Betroffene, Unterstützung beim Schutz vor Cyberkriminalität und digitaler Gewalt oder Know-How für Debattenkultur im Netz – an vielen Stellen geht das Netzwerk gegen die Verrohung im digitalen Raum vor. Wir brauchen Weitsicht und passgenaue Maßnahmen, um Hass im Netz entgegen zu treten und einen respektvollen Austausch im Internet zu ermöglichen.“

Die gesamte Studie „Lauter Hass – Leiser Rückzug“ ist hier abrufbar.