Wissen über Sexismus

Sexismus ist manchmal leicht zu erkennen, oft begegnet er einem jedoch erst auf den zweiten oder dritten Blick. Er ist im Alltag vieler Menschen, in den Medien und in gesellschaftlichen Debatten präsent. Doch was bedeutet Sexismus eigentlich, was sind seine Ursachen und wie erkennen wir ihn? Hier finden Sie Informationen.

Sexismus beschreibt die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts. Sexismus kann sich gegen alle Geschlechter richten, überproportional betroffen sind jedoch Mädchen und Frauen sowie Personen, die sich nicht heteronormativen, zweigeschlechtlichen Vorstellungen von Geschlecht zuordnen lassen.

„Sexismus heißt, Menschen aufgrund ihres Geschlechts zu beurteilen, wenn ihr Geschlecht keine Rolle spielt“, heißt es in einer 1968 gehaltenen Rede der US-amerikanischen Autorin Caroline Bird. Diese Rede gilt als einer der ersten Texte, in denen der Begriff Sexismus auftaucht. Bird war von der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den USA inspiriert, die das Wort Rassismus eingeführt hatte, um die gesellschaftliche Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung zu benennen.

Viele verbinden Sexismus mit den Hashtags #MeToo und #aufschrei. Die Phrase „Me too“ („Ich auch“) wurde von der Aktivistin Tarana Burke geprägt. Sie ist die Gründerin des „Me Too Movements“, einer sozialen Bewegung gegen sexuellen Missbrauch, sexuelle Belästigung und „Rape Culture“.  Das #MeToo wurde ab 2017 im Zusammenhang des Bekanntwerdens sexueller Übergriffe und Skandalen rund um prominente Persönlichkeiten benutzt, um in den sozialen Medien auf Erfahrungen mit Alltagssexismus und sexueller Belästigung aufmerksam zu machen.

Tweet Alyssa Milano:

“If you’ve been sexually harassed or assaulted write ‘me too’ as a reply to this tweet.”

Sexismus, also die Bewertung, Benachteiligung oder auch Bevorzugung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ist eine Form der Diskriminierung.

Sexismus begründet sich aus Geschlechterstereotypen und Rollenbildern darüber, wie Menschen aufgrund ihres Geschlechts „zu sein haben“. Insbesondere Frauen und Personen abseits des heteronormativen, zweigeschlechtlichen Verständnisses von Geschlecht wurden in der Vergangenheit (und werden auch noch heute) stark marginalisiert.

Geschlechterstereotypen sind Wurzeln

Die Wurzeln hinter diesen Geschlechterstereotypen sind Annahmen darüber, dass Geschlechter in einem hierarchischen Verhältnis zueinanderstehen und Männlichkeit das überlegene Geschlecht sei. An die Geschlechter werden bestimmte Attribute gekoppelt zum Beispiel: „Männer sind stark“, „Frauen sind harmoniebedürftig“. Mit diesen Rollenbildern wird jeder Mensch schon früh in der Kindheit konfrontiert und verinnerlicht sie als gelernte Annahmen über Geschlecht.

Sexismus – manchmal leicht zu erkennen, manchmal versteckt

Auf der zwischenmenschlichen Ebene beschreibt Sexismus die Äußerung von sexistischen Einstellungen durch Worte oder Handlungen. Manche sexistischen Einstellungen sind leicht als solche zu erkennen: zum Beispiel die zur Schau gestellte Ablehnung von Gleichberechtigung, durch Aussagen auf Basis stereotypischer Rollenzuschreibungen:

„Frauen sollen zurück an den Herd, nicht in den Vorstand!“

„Warum beantragen Sie Elternzeit, Sie sind doch ein Mann? Wo ist Ihre Frau?“

Oft ist der sexistische Gehalt einer Äußerung jedoch nicht so leicht zu erkennen, etwa wenn die Diskriminierung von Frauen pauschal geleugnet wird oder wenn Maßnahmen zum Abbau von Ungleichheiten zwischen Geschlechtern abgelehnt oder bagatellisiert werden. Im breiten Spektrum sexistischer Einstellungen und Verhaltensweisen stellt die sexuelle Belästigung eine besonders verletzende und herabwürdigende Ausprägung von Sexismus dar.

Sexismus gibt es nicht nur auf der zwischenmenschlichen Ebene. Wie jede andere Form der Diskriminierung kann auch Sexismus eine strukturelle Dimension haben.

Was versteht man unter strukturellem Sexismus?

Struktureller Sexismus bezieht sich auf die systematische Benachteiligung und Ungleichbehandlung von Personen aufgrund ihres Geschlechts innerhalb der sozialen Strukturen und Institutionen einer Gesellschaft. Im Gegensatz zum individuellen Sexismus, der auf persönlichen Überzeugungen und Verhaltensweisen basiert, bezieht sich struktureller Sexismus auf die tief verwurzelten Werte und Normen, die in den sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Strukturen einer Gesellschaft existieren.

Struktureller Sexismus kann in vielen Bereichen sichtbar werden, einschließlich in der Arbeitswelt. Eine Auswirkung ist z.B. die Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern. Sie existiert u.a., weil unsere gesellschaftlichen Normen und Traditionen darauf ausgerichtet sind, dass Frauen sich in erster Linie um die Familie kümmern, in schlechter bezahlten Berufen tätig sind, in Teilzeit arbeiten und als weniger kompetent für Führungsaufgaben wahrgenommen werden.

Struktureller Sexismus und individuelle sexistische Einstellungen können miteinander verwoben sein: Die immer noch verbreitete Vorstellung, dass Care-Arbeit vor allem “Frauensache” sei, kann als individuelle Äußerung vorkommen, ist aber auch als gesellschaftliche Norm akzeptiert und prägt nach wie vor das Verhalten in unserer Gesellschaft.

Was versteht man unter Alltagssexismus?

Neben der Abgrenzung zwischen strukturellem und individuellem Sexismus finden sich auch andere Bezeichnungen, die verschiedene Facetten von Sexismus hervorheben. So betont der Begriff „Alltagssexismus“ die Tatsache, dass Sexismus fast beiläufig unser Verhalten und unsere Beziehungen prägt. Unter den Begriff „wohlwollender (benevolenter) Sexismus“ fallen solche Aussagen und Handlungen, die vorgeben, Frauen schützen zu wollen. Einzelne Vorfälle von Sexismus mögen harmlos erscheinen, aber sie erschaffen eine Atmosphäre der Einschüchterung, Angst und Unsicherheit. Dies führt zur Akzeptanz von Gewalt, meist gegen Frauen und Mädchen.

Mehrfachdiskriminierung existiert!

Sexismus kann nicht losgelöst von anderen Diskriminierungsformen betrachtet werden. Frauen, die von Sexismus und zum Beispiel auch von Rassismus oder Ableismus betroffen sind, werden anders – meist stärker – diskriminiert als Frauen, die „nur“ Sexismus erfahren. Auf dieses Phänomen sich überlagernder Diskriminierungsformen verweisen die Begriffe intersektionale Diskriminierung oder Mehrfachdiskriminierung.

Die im Auftrag des BMFSFJ von Professor Dr. Carsten Wippermann durchgeführte Pilotstudie „Sexismus im Alltag. Wahrnehmungen und Haltungen der deutschen Bevölkerung“ zeigt, dass Sexismus als alltägliches, massenhaftes Phänomen wahrgenommen wird:

 

  • 63 Prozent der befragten Frauen und 49 Prozent der befragten Männer gaben an, sexistische Übergriffe wahrgenommen zu haben oder selbst betroffen gewesen zu sein.
  • Als Orte, an denen Sexismus vorkommt, werden vor allem der öffentliche Raum (46 Prozent der Frauen, 42 Prozent der Männer), der Arbeitsplatz (41 Prozent der Frauen, 45 Prozent der Männer) sowie öffentliche Verkehrsmittel (30 Prozent der Frauen, 29 Prozent der Männer) genannt.
  • Obwohl sie nicht direkt als Person angesprochen werden, empfinden 75 Prozent aller Frauen und 61 Prozent aller Männer Sexismus in den Medien als schlimm. Vor allem die Darstellung von Frauen und Männern als Sexobjekte in der Werbung wird negativ bewertet.
  • 80 Prozent der befragten Frauen und 65 Prozent der befragten Männer sprechen sich dafür aus, dass die Politik mehr Maßnahmen ergreift, um Sexismus vorzubeugen.

Die Auswirkungen von Sexismus pauschal zu benennen, ist nicht so einfach. Sexismus wird von jeder Person individuell wahrgenommen und gedeutet. Dementsprechend wirkt sich Sexismus auf Einzelpersonen unterschiedlich aus. Auf der Makroebene können die Auswirkungen von strukturellem Sexismus durch unterschiedliche Messungen bestimmt werden. Fest steht: Sexismus ist schädlich, nicht nur für die von Sexismus betroffenen Menschen, sondern für die gesamte Gesellschaft und ihre Organisationen. Übrigens wirkt sich Sexismus entgegen der landläufigen Vorstellung nicht nur negativ auf cis Frauen, nicht-binäre, inter und trans Personen aus – auch cis Männern schaden Stereotype von Männlichkeit und Weiblichkeit.

Sexistisches Verhalten hat negative Wirkungen auf die Psyche der Betroffenen. Das wurde in empirischen Studien bestätigt. Belegt ist, dass sexistische Vorurteile, abwertende Kommentare oder Verhaltensweisen und sexuelle Objektivierung Wut, Angst und andere negative Emotionen bei Frauen erzeugen und sich negativ auf ihr Selbstwertgefühl auswirken.

Sexismus schränkt die Lebensqualität ein

Sexismus und sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum führen dazu, dass Betroffene ihr Verhalten ändern und in ihrer Lebensqualität und Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Personen meiden bestimmte Straßen oder Haltestellen, nutzen diese nur am Tage oder verzichten ganz auf den öffentlichen Personennahverkehr, wenn sie fürchten, dass sie auf ihrem Weg belästigt werden könnten.

Sexismus macht krank

Auf die langfristigen Auswirkungen von Sexismus weist eine Studie des University College London mit 3 000 Teilnehmerinnen hin. Frauen, die am Arbeitsplatz von einem sexistischen Klima betroffen waren, entwickelten in einem Zeitraum von vier Jahren dreimal häufiger Depressionen als eine Kontrollgruppe, die keinen solchen Sexismus am Arbeitsplatz erfahren hatte. Zudem klagten die Frauen über eine schlechtere Leistungsfähigkeit, Unzufriedenheit und einen allgemein schlechteren Gesundheitszustand. Ebenso wurde festgestellt, dass sexistische Erfahrungen die drei häufigsten psychischen Erkrankungen von Mädchen und Frauen begünstigen: Essstörungen, depressive Verstimmungen und manifeste Depressionen (ebd.).

Sexismus schadet Männern wie Frauen

Eine Metastudie der Indiana University Bloomington zeigt signifikante Auswirkungen von Sexismus auf die männliche Psyche. Die Forschenden kamen zu dem Schluss, dass Männer, die versuchen, den stereotypen Verhaltensweisen des „starken Mannes“ zu entsprechen, „häufiger unter psychischen Problemen leiden und sich seltener psychologische Hilfe suchen“. Dies schlägt sich auch in den hohen Suizidraten von Männern nieder: Rund 75 Prozent der Selbsttötungen in Deutschland wurden von Männern begangen (2021).

Struktureller Sexismus schadet Müttern

Wer sich als Frau entscheidet, Kinder zu bekommen und die Hauptverantwortung für ihre Betreuung übernimmt, wird im Laufe des Lebens weniger Geld verdienen als kinderlose Frauen und ist entsprechend häufiger von Altersarmut betroffen (Gender Lifetime Earning Gap). Für das Einkommen von Männern dagegen spielt die Frage, ob sie Kinder haben oder nicht, kaum eine Rolle.

Sexismus schadet nicht nur den Menschen selbst, sondern auch den Organisationen, in denen sie arbeiten. Das Erfahren von sexistischer Diskriminierung führt oft zu schlechterer Leistung, Fehlzeiten und sogar Kündigungen, was der wirtschaftlichen Leistung der Organisation schadet.

Sexismus kostet Unternehmen Geld

Eine US-amerikanische Studie, fand heraus, dass etwa 80 Prozent der interviewten Arbeitnehmerinnen, die sexuell belästigt wurden, das Unternehmen innerhalb eines Jahres verließen. Die Unternehmen büßen an Reputation und Arbeitsplatzattraktivität ein, und es kann ein immenser wirtschaftlicher Schaden entstehen. Im Auftrag des australischen Finanzministeriums hat die Unternehmensberatung Deloitte in einer 2019 erschienenen Studie erstmals die Kosten von sexueller Belästigung berechnet. Dazu gehören Kosten, die durch die geringere Arbeitsleistung der Opfer, aber auch durch die Aufarbeitung der Fälle entstehen. Hinzu kommen Anwaltsgebühren sowie Arzt- und Therapiekosten. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass jeder Fall alleine im ersten Jahr durchschnittlich Kosten von 1 428 Australischen Dollar (circa 890 Euro) verursacht. Weitere langfristige Kosten – Produktivitätsverluste, die etwa durch ein schlechteres Arbeitsklima entstehen – konnten wegen fehlender Daten nicht berücksichtigt werden.

Sexistische Organisationskultur schadet dem Arbeitsklima

Sexismus in Organisationen ist nicht erst dann ein Problem, wenn es zu einem Fall sexueller Belästigung gekommen ist. Eine „männlich dominierte Organisationskultur“, in der sexistisches Verhalten und sexistische Praktiken häufig vorkommen und normalisiert werden, ist schädlich für das berufliche Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Ein Arbeitsumfeld, in welchem sexistisches Verhalten ignoriert oder sogar toleriert wird, untergräbt die Bemühungen um Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration.

Gibt es „Männliche“ und „weibliche“ Berufe?

Berufe haben kein Geschlecht. Aufgrund starrer Rollenbilder können sich Frauen und Männer dennoch oft nicht ihren Potenzialen nach entfalten, sondern werden in „typisch weibliche“ oder „typisch männliche“ Berufe und Aufgaben gedrängt. Dadurch gehen Organisationen enorm viele Potenziale verloren. Eine Studie der London School of Economics zeigt, dass Männer Berufsfelder, die von Frauen dominiert werden, schnell wieder verlassen, weil sie Angst haben, als „unmännlich“ stigmatisiert zu werden, und dass einige Männer sogar die Arbeitslosigkeit vorziehen, als in diesen Berufen zu arbeiten.

Sexismus ist weit mehr als ein ethisches Problem. Er hat direkte Auswirkungen auf eine Gesellschaft und das Wohlergehen ihrer Mitglieder. Die Auswirkungen von Sexismus auf die gesamte Gesellschaft zu beziffern, ist dennoch schwierig. Es gibt verschiedene Ansätze:

Sexismus senkt den Wohlstand eines Landes

Transnationale Organisationen wie das Weltwirtschaftsforum, der Internationale Währungsfonds, die Weltbank oder UNICEF gehen davon aus, dass Sexismus sich negativ auf das wirtschaftliche Wohlergehen einer Nation auswirkt. Ländervergleiche zeigen: Je mehr Chancen Frauen haben, am Erwerbsleben gleichermaßen teilzuhaben, Unternehmen zu gründen und Führungspositionen zu erreichen, desto höher ist der Wohlstand des Landes.

Ein Indikator für den Wohlstand eines Landes ist das Pro-Kopf-Einkommen. Laut eines Vergleichs der 37 OECD-Mitgliedsländer im Jahr 2015 haben die Staaten schätzungsweise im Schnitt 15,4 Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens dadurch verloren, dass Frauen nicht in gleichem Maße wie Männer am Arbeitsmarkt beteiligt waren. Auch der Mangel an Frauen in Führungspositionen lässt das Pro-Kopf-Einkommen sinken

Wie kann struktureller Sexismus gemessen werden?

Die strukturelle Diskriminierung von Frauen lässt sich anhand verschiedener Indikatoren messen, zum Beispiel Verdienst, Alterssicherung oder Verteilung von Sorgearbeit.

GENDER PAY GAP: Der Gender Pay Gap zeigt die Entgeltlücke in den gesamten Bruttostundenlöhnen zwischen allen Frauen und Männern auf. Dieser Verdienstunterschied ist in erster Linie strukturbedingt: Frauen übernehmen deutlich mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer und arbeiten aus diesem Grund häufiger in Teilzeit. Sie sind häufiger in Berufen tätig, in denen schlechter bezahlt wird, und erreichen seltener Führungspositionen. Der bereinigte Gender Pay Gap bezeichnet den Anteil des Gender Pay Gaps, der nicht strukturell zu erklären ist.

GENDER LIFETIME EARNINGS GAP: Der Gender Lifetime Earnings Gap bezeichnet den Unterschied des Gesamterwerbseinkommens im Lebensverlauf von Frauen und Männern.

GENDER PENSION GAP: Der Gender Pension Gap beziffert den Unterschied in den eigenen Alterssicherungsleistungen – Rente oder Pension – zwischen Frauen und Männern.

GENDER CARE GAP: Der Gender Care Gap zeigt, dass Frauen täglich 52 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit aufbringen als Männer. Pro Tag leisten Männer im Schnitt 2 Stunden und 46 Minuten unbezahlte Sorgearbeit, Frauen 4 Stunden und 13 Minuten. Darin sind die Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung, Arbeit im Haushalt und ehrenamtliches Engagement eingeschlossen (BMFSFJ 2018: 11).

Sexismus führt zur Akzeptanz von Gewalt

Eine Gesellschaft, die Sexismus toleriert, fördert die Akzeptanz von geschlechtsspezifischer Gewalt. Einzelne, scheinbar harmlose sexistische Handlungen oder Witze schaffen ein gesellschaftliches Klima der Einschüchterung und Unsicherheit und fördern die sogenannte „Rape Culture“.

 

“All inequality is not created equal.” 

Kimberlé Crenshaw
(Juristin, Bürger*innenrechtlerin und Schwarze Feministin)

Sexismus kann nicht losgelöst von anderen Diskriminierungsformen betrachtet werden. Frauen, die von Sexismus und zum Beispiel auch von Rassismus oder Antisemitismus betroffen sind, werden anders – meist stärker – diskriminiert als Frauen, die „nur“ Sexismus erfahren. Auf dieses Phänomen sich überlagernder Diskriminierungsformen verweisen die Begriffe intersektionale Diskriminierung (Crenshaw 2011) oder Mehrfachdiskriminierung.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt vor der Benachteiligung aufgrund von Rassismus oder ethnischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.

Auch erfahren bisexuelle oder homosexuelle Frauen und Männer sowie trans, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen häufig eine besondere Form der Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts, die sich mit queer-, transfeindlichen und heteronormativen Einstellungen überkreuzt.

Frauen mit Behinderungen sind besonders von Gewalt in jeglicher Form betroffen. Eine Studie zeigt, dass jede dritte bis vierte Frau mit Behinderung sexualisierte Gewalt erfahren hat. Das ist zwei- bis dreimal häufiger als bei Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (BMFSFJ 2014).

Zudem erleben Menschen aus weiteren Gründen Diskriminierung, die sich überlagern und mit Sexismus verschränkt wirken können. Der Begriff der Intersektionalität beschreibt die Verwobenheit verschiedener Diskriminierungserfahrungen. Neue internationale Studien (Lipinsiky et al. 2023) verweisen auf die höhere Betroffenheit von mehrfachdiskriminierten Personen.

Das Bündnis “Gemeinsam gegen Sexismus“ versteht sich als Projekt, in dem die Bekämpfung von Sexismus und sexueller Belästigung intersektional angegangen wird. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den Bereichen Arbeitswelt, öffentlicher Raum sowie Kultur und Medien.

Bei der Entwicklung und Einführung von Maßnahmen gegen Diskriminierung ist es daher wichtig, einzubeziehen, wie sie auf die verschiedenen Personengruppen wirken. In der Regel braucht es unterschiedliche und auch passgenaue Maßnahmen, um intersektionale Diskriminierung zu bekämpfen.

So sollten beispielsweise Präventionsmaßnahmen und Hilfsangebote die Perspektiven mehrfachdiskriminierter Personen einbeziehen: Manche Menschen mit Behinderungen können nicht an Trainings teilnehmen, wenn diese nicht barrierearm gestaltet sind. Oder: Frauenberatungsstellen, die nicht für Rassismus sensibilisiert sind, bilden keinen sicheren Ort für betroffene Personengruppen und können Benachteiligungen verstärken.


Quellen: 

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend / Universität. Bielefeld (2014): Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland. https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94204/3bf4ebb02f108a31d5906d75dd9af8cf/lebenssituation-und-belastungen-von-frauen-mit-behinderungen-kurzfassung-data.pdf

Charta der Vielfalt: Die sieben Dimensionen von Vielfalt. https://www.charta-der-vielfalt.de/fuer-arbeitgebende/vielfaltsdimensionen/

Crenshaw, Kimberlé (2011): Postscript. In: Lutz, Helma; Herrera Vivar, Maria Teresa; Supik, Linda (Hrsg.): Framing Intersectionality. Debates on a Multi-Faceted Concept in Gender Studies. Abingdon, Ashgate, S. 221-233.

Lipinsky, A., Schredl, C. (2023): International vergleichende Forschung über Formen geschlechtsbezogener Gewalt in Wissenschaftsorganisationen. In: Pantelmann, Heike, Blackmore, Sabine (Hrsg.): Sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und Gewalt im Hochschulkontext. Springer Gabler, Wiesbaden, S. 43-54.

Schulz, Swantje-Leoni: Rassifizierung von Gewalt gegen Frauen. Eine qualitative Untersuchung zum Umgang mit Rassifizierung in der Beratung von gewaltbetroffenen Frauen. Hochschule Düsseldorf (2022). https://opus4.kobv.de/opus4-hs-duesseldorf/frontdoor/deliver/index/docId/3864/file/FBSK_Bachelorthesis_SoSe_22_Schulz.pdf

Die Politik kann den gesetzgeberischen Rahmen setzen, um Sexismus zu sanktionieren und den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich zu wehren. Um Stereotype und sexistisches Denken langfristig aus Köpfen und Strukturen zu verbannen, sind jedoch weit mehr gesellschaftliche Kräfte gefragt: Jede*r Einzelne ist gefordert, und es braucht Veränderungen in der Kultur und in den Regeln von Unternehmen, staatlichen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Dazu gehört auch eine partnerschaftliche Verteilung von Sorgearbeit und das Aufbrechen von lange gefestigten Geschlechterstereotypen und Strukturen. Dafür bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung. Das Bündnis “Gemeinsam gegen Sexismus“ setzt genau hier an. Maßnahmen gegen Sexismus am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum sowie in Kultur und Medien haben wir in unserer Handreichung „Gemeinsam gegen Sexismus“ veröffentlicht. Diese kann hier kostenfrei bestellt werden oder steht zum Download zur Verfügung.

Verschiedene Formen von Sexismus

Sexismus gibt es nicht nur auf der zwischenmenschlichen Ebene. Wie jede andere Form der Diskriminierung kann auch Sexismus eine strukturelle Dimension haben.

Wie oft und wo kommt Sexismus vor?

  • 63 Prozent der befragten Frauen und 49 Prozent der befragten Männer gaben an, sexistische Übergriffe wahrgenommen zu haben oder selbst betroffen gewesen zu sein.
  • Als Orte, an denen Sexismus vorkommt, werden vor allem der öffentliche Raum (46 Prozent der Frauen, 42 Prozent der Männer), der Arbeitsplatz (41 Prozent der Frauen, 45 Prozent der Männer) sowie öffentliche Verkehrsmittel (30 Prozent der Frauen, 29 Prozent der Männer) genannt.
  • Obwohl sie nicht direkt als Person angesprochen werden, empfinden 75 Prozent aller Frauen und 61 Prozent aller Männer Sexismus in den Medien als schlimm. Vor allem die Darstellung von Frauen und Männern als Sexobjekte in der Werbung wird negativ bewertet.
  • 80 Prozent der befragten Frauen und 65 Prozent der befragten Männer sprechen sich dafür aus, dass die Politik mehr Maßnahmen ergreift, um Sexismus vorzubeugen.