Good Practice
09.11.2023

Music Women* Germany: Für einen umfassenden Bewusstseinswandel

Good Practices gegen Sexismus können als Inspiration dienen und zeigen konkrete Lösungsansätze auf. Um aus den Erfahrungen der Bündnispartner*innen zu lernen, veröffentlichen wir regelmäßig gute Praxisbeispiele aus dem Bündnis “Gemeinsam gegen Sexismus”. Heute: Anika Jankowski, Vorständin der Music Women* Germany.

Frauen sind in der Musikbranche bis heute in fast allen Bereichen unterrepräsentiert und mit einschränkenden, sexualisierten Rollenklischees konfrontiert. Eine Organisation, die sich zur Aufgabe gemacht hat, das zu ändern, ist Music Women* Germany. Neben der Bereitstellung von Informationen sind die Förderung, Vernetzung und Sichtbarmachung von Frauen und nicht binären Menschen in der Musikbranche die Hauptziele des Netzwerks. Um bestehende Strukturen aufzubrechen, der fehlenden (Perspektiven-)Vielfalt entgegenzuwirken und für nachhaltige Veränderungen zu sorgen, braucht es einen umfassenden Bewusstseinswandel. Darüber hat Anika Jankowski, Vorständin der Music Women* Germany, im Interview mit uns gesprochen.

Bündnis “Gemeinsam gegen Sexismus”: Erfolg in der Musikbranche ist zum Großteil davon abhängig, ob und inwieweit jemand bereits in diesem Bereich vernetzt ist. Was bedeutet das für Künstler*innen? Wie kann eine solche Struktur aufgebrochen werden?

Anika Jankowski: Vernetzung ist in der Tat ein wichtiger Aspekt in der Musikbranche. Was jedoch Erfolg ist, müssen Künstler*innen zunächst für sich selbst definieren. Und dann kommt eine Menge Investition in die eigene Kreativität und Ausdauer dazu. Obwohl die technischen Entwicklungen zunächst scheinbar für alle den Einstieg vereinfacht haben, zeigt sich aktuell, dass auf Grund des Überangebotes sogenannte Gatekeeper weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Wenn diese Schlüsselpositionen von einer homogenen Gruppe besetzt werden, die sich ihrer eigenen Handlungsmuster nicht bewusst ist oder diese nicht aufbrechen will, kommt es automatisch zu einer Einschränkung der Diversität in unserer Kulturlandschaft. Neue Stimmen finden nur schwer Gehör, wenn sie nicht von diesen Gruppen wahrgenommen oder verstanden werden beziehungsweise Teil dieser Gatekeeper sind.

Bündnis: Im Musikbereich spiegelt sich wider, was als allgemein akzeptierbar gilt und welcher gesellschaftliche Wertekanon beibehalten wird. Welche Strukturen tragen zur Reproduktion dieser Werte in der Branche bei?

Jankowski: Ich glaube daran, dass jede Form von Kultur einen neuen Wertediskurs anstoßen kann. Die Musik ist dabei besonders zugänglich für viele Menschen. Das macht diese Branche unfassbar spannend und wandelbar. Aber auch in der Musik gibt es veraltete Wertevorstellungen und Geschlechterrollen. Diese zu verändern ist genauso mühselig, wie an anderen Stellschrauben auch und passiert hauptsächlich mit der Zeit, wenn bestimmte Akteur*innen von der Bildfläche verschwinden. Der Umgang mit Frauen in der Musikbranche spiegelt unsere gesellschaftlichen Probleme wider. Die Musik ist wie ein Brennglas und bringt Misogynie und Hypersexualisierung sehr deutlich zum Vorschein.

Bündnis: Werden Männer auch hyper-sexualisiert?

Jankowski: Hypersexualisierung findet in meiner Wahrnehmung nicht so oft bei Männern statt. Männer werden als der Status Quo verstanden. Sprüche wie: „Du spielt aber gut Gitarre – für ‘ne Frau“, oder regelmäßige, ungefragte Kommentare zum Outfit müssen häufig Frauen über sich ergehen lassen.

Bündnis: Was braucht es, um Sexismus in der Musikbranche entgegenzutreten?

Jankowski: Es braucht ganz viel Bewusstsein für patriarchale Strukturen. Diese müssen erkannt und hinterfragt werden und anschließend muss der gemeinsame Umgang neu verhandelt werden. Hier können Workshops helfen, Gespräche zwischen Kolleg*innen und Fachbeiträge bei Konferenzen und in Podcasts. Sexismus darf kein gesellschaftlich akzeptiertes Kavaliersdelikt bleiben und muss aufgezeigt werden, um auf allen Ebenen einen Wandel herbeizuführen.