Gemeinsam gegen Sexismus – europaweit und intersektional!
Wie können Maßnahmen gegen Sexismus intersektional umgesetzt werden? Welche guten Praktiken gibt es in Deutschland und anderen europäischen Ländern? Darum ging es bei der Fachkonferenz des Bündnisses „Gemeinsam gegen Sexismus“. Eines der Ergebnisse: Ob am Arbeitsplatz, in Politik, Zivilgesellschaft, Medien oder im öffentlichen Raum – jede*r kann etwas tun, aber es braucht Sensibilisierung, Förderung und konkrete Maßnahmen.
Die Moderatorin Dörthe Maack eröffnete die Fachkonferenz mit einem selbst verfassten Gedicht:
„Dies ist meine Stimme
Noch erklingt sie allein
Doch wir sind alle ein Chor
Und wir stimmen mit ein
Wenn sich die Stimmen von Menschen erheben
Die Stimmen von Menschen, die Sexismus erleben
Von Menschen
Die sich zu einem Bündnis verbinden
Und zusammen wirksame Maßnahmen finden
Um sich Gehör zu verschaffen und etwas zu ändern
Gemeinsam mit starken Stimmen aus anderen Ländern“
Expert*innen stellten Good Practices gegen Sexismus aus Deutschland und anderen europäischen Ländern vor. Die Verschränkung von Sexismus mit anderen Diskriminierungsformen floss dabei als Querschnittsthema in die fachlichen Impulse, Austauschrunden und Workshops ein.
„Es ist gut, wenn wir handeln, uns wehren und Bündnisse schmieden. Es ist gut, dass wir hier sind“, betonte Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesfamilienministerin, in ihrem Grußwort zur Eröffnung der Konferenz. Denn: Sexismus sei Alltag. Er passiere überall und zu jeder Tageszeit – auch an Orten, an denen wir uns eigentlich sicher fühlen sollten.
Sexismus bedeutet, Menschen aufgrund ihres Geschlechts herab zu würdigen. Deligöz betonte auch: Diese Definition nehme eine riesige Bandbreite im Alltag ein. Etwa im Beruf, wenn Männer ernster genommen würden als Frauen – und die Qualifikation von Frauen als nicht so viel wert gelte wie die von Männern. Aber: Die Qualifikation solle entscheiden, nicht das Geschlecht, ebenso wenig wie die Herkunft, die sexuelle Orientierung oder die Hautfarbe.
Intersektionaler Ansatz
Das beschreibt der Begriff „Intersektionalität“: Die Verwobenheit verschiedener Diskriminierungen. Neben den genannten z.B. auch Mehrfachdiskriminierungen von Frauen* mit Behinderung oder aus Gründen ihrer Religion, Weltanschauung oder ihres Alters.
„Wir wollen voneinander lernen,
Chancen benennen
Die Ebenen der intersektionalen
Diskriminierung erkennen“ (Dörte Maack)
Mithu M. Sanyal betonte in ihrer Keynote, dass es nicht darum gehen sollte, Rechte nur für sich selbst oder eine bestimmte Gruppe zu fordern. Feminismus könne nur gelingen, wenn wir verschiedene Diskriminierungsformen und Perspektiven einbeziehen. Es sei wichtig, sich für mehr Gleichberechtigung für alle Menschen einzusetzen und voneinander zu lernen.
Maßnahmen anderer europäischer Länder
Im Panel diskutierten Katarina Szécsi Åsbrink von der schwedischen Botschaft in Berlin, Soledad Román Pérez-Moreira von der spanischen Botschaft in Berlin und Cécile Weidhofer, Expertin bei der EAF Berlin, über Good Practices aus Schweden, Spanien und Frankreich.
In Schweden führten Gesetze, politischer Wille, diverse Maßnahmen zum Gender Mainstreaming, die Erhebung und Verbreitung von Zahlen, Fakten und Wissen sowie ein starker Druck aus der Gesellschaft dazu, dass es eines der gleichstellungspolitisch am weitesten entwickelten Länder ist. Zudem gibt es u.a. ein neues Schulcurriculum, dass auch das Prinzip „Nur Ja heißt Ja“ bei Sexualpartner*innen thematisiert.
Auch in Spanien wird jede politische Entscheidung in Hinblick auf Gleichbehandlung der Geschlechter überprüft (Gender Mainstreaming). Ein weiteres Beispiel, um sexueller Belästigung entgegenzuwirken, sind „violette Punkte“, die Orte als sicher für Frauen kennzeichnen. Insgesamt hat Spanien – nicht zuletzt aufgrund der starken und beharrlichen feministischen Proteste – eine Reihe von Gesetzesänderungen eingeführt, um den Schutz und die Rechte von Frauen zu erhöhen.
In Frankreich wurden in den letzten Jahren ebenfalls einige Gesetze auf den Weg gebracht, zum Beispiel eine Strafvorschrift gegen sexistische Beleidigung im öffentlichen Raum. Vor allem funktioniere die interministerielle Zusammenarbeit in Frankreich gut. Eine praktische Maßnahme für den Kampf gegen Sexismus im öffentlichen Raum sind Busse, die zwischen zwei Stationen anhalten, um Menschen sicher(er) nach Hause zu bringen. Der Nationale Tag gegen Sexismus, den Frankreich dieses Jahr für den 25. Januar eingeführt hat, möchte das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein für das Thema stärken.
Workshops zu verschiedenen Schwerpunkten
In den Workshops nahmen Teilnehmende und Expert*innen weitere konkrete Maßnahmen in den Blick:
Im Workshop zum Schutz vor sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz (Deutscher Gewerkschaftsbund) wurde deutlich: Es braucht beratende Strukturen, geschulte und sensibilisierte Führungskräfte und eine hohe Priorität für den Opferschutz. Eines der Fazits aus dem Workshop zur Frage „Wie wirkt ein gelungenes Diversity-Management gegen Sexismus?“ (Deutsche Bahn AG) war: Jede Strategie muss auch als Kultur gelebt werden, die Perspektive potentiell Betroffener sollte immer im Vordergrund stehen, es braucht finanzielle Förderung und das Thema höhere Priorität.
Für eine intersektionale Perspektive in Beratungs- und Anlaufstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt ist es wichtig, die eigenen Denkmuster und Privilegien zu hinterfragen, wie die Referent*innen der Beratungsstelle LARA mit den Teilnehmenden herausarbeiteten. Die Beratung sollte stets diskriminierungssensibel und betroffenenzentriert sein.
Der Workshop zu gendergerechter Stadtplanung (Urban Policy) beleuchtete die vielfältigen Aspekte des Themas, das von vielen verschiedenen Ebenen gleichzeitig angegangen werden muss. Sogenannte „Angsträume“, die z.B. von Frauen* gemieden werden und deren Bewegungsfreiheit einschränken, sind nur ein Teil davon. Im Workshop wurde auch deutlich: Jede*r kann sofort ins Handeln kommen, die eigene Haltung ändern und Multiplikator*in sein.
Der Workshop zu Male Allyship (Bundesforum Männer) zeigte: es gibt nicht eine, sondern viele Männlichkeiten und Perspektiven, die es gilt, in den Blick zu nehmen. Führungskräfte müssen mit an Bord sein, etwa durch verpflichtende Seminare, um den Raum für eine männerreflektierte Arbeit zu öffnen.
Diskriminierung findet auch über Bildsprache statt, dafür braucht es ein Bewusstsein, wie im Workshop zu Gendersensibler Bildsprache (Bildermächtig) herausgearbeitet wurde. Eine diversitäts- und betroffenensensible Kommunikation bedeutet auch, eine Bildsprache zu wählen, die keine Inszenierung und Retraumatisierung darstellt.
Die eintägige Fachkonferenz fand am 28. Mai 2024 mit rund 150 Teilnehmenden aus den verschiedenen im Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ vertretenen Branchen und Schwerpunktbereichen sowie weiteren Interessierten im Umweltforum Berlin statt.
„Rund 650 Akteur*innen
Sind es Im Bündnis – bis jetzt
Wir haben etwas Großes
In Bewegung gesetzt
Dieser Tag ist auf dem Weg
Zum Ziel ein weiterer Schritt
Und alle, die heute hier sind, gehen ihn mit“ (Dörte Maack)